Vorstandsvergütung mit Anreiz zum Abbau

5. August 2015

Der Financial Times Kolumnist Andrew Smithers in London ist überzeugt, dass Unternehmen mit Gewinnfokus viel zu umfassend sparen und dabei zukünftiges Wachstum blockieren. Das ist nachvollziehbar, denn es ist kurzfristig viel einfacher, denn Gewinn durch Kostensparen zu steigern, als durch Umsatzsteigerung oder Investitionen. Im Ergebnis führen Gewinnbeteiligungsprogramme also genau zum Gegenteil des gewünschten, nämlich zum Abbau statt zum Aufbau von Gewinnen. Wir konnten die Abbauwirkung von Gewinnbeteiligungen nun erstmals auch im Schweizer Aktienmarkt nachweisen (NZZ am Sonntag).

Gewinnbeteiligungen sind Anreize zum Abbau

Obermatt hat 40 Schweizer Geschäftsberichte im Hinblick auf die Anreizstrukturen und deren Auswirkungen auf Wachstum, Gewinn und Aktienrendite ausgewertet. Das Ergebnis: Unternehmen mit ausgewogenen Vergütungsystemen wachsen drei Mal mehr als solche mit einer Gewinnbeteiligung. Unter Gewinnbeteiligung versteht die Studie Unternehmen mit Vergütungssystemen auf Basis von EPS (earnings per share), ROE (return on equity), ROCE (return on capital employed), RONOA (return on net operating assets), ROS (return on sales, EBIT%Umsatz) und Economic Profit.

Unternehmen mit ausgewogenen Anreizen hatten 2014 sogar eine um 6.5 Prozentpunkte höhere Aktienrendite und lieferten letzten Endes sogar auch mehr Gewinn als die Unternehmen mit Gewinnfokus (siehe Abbildung).

Gewinnbeteiligung

Was bedeutet der Gewinnfokus für Aktionäre?

Obermatt hat die SMI Expanded Firmen (ohne Finanzinstitute) in zwei Gruppen eingeteilt: Unternehmen mit ausschliesslichem Fokus auf Gewinnbeteiligung (12 SMI Expanded Unternehmen) und solche mit einem breiten Mix an Vergütungselementen wie zum Beispiel Wachstumskriterien und Marktvergleiche für die Leistungsmessung (17 SMI Expanded Unternehmen). Finanzinstitute wurden für die Analyse ausgeklammert, weil deren Vergütungspraxis sich von derjenigen anderer Unternehmen stark unterscheidet.

Der Gewinnfokus hat für Schweizer Aktionäre negative Auswirkungen. Gewinnbeteiligungen senken die Wachstumsaussichten und reduzieren damit die Aktienrenditen wie Andrew Smithers für die USA und UK nachweisen und Obermatt nun auch im Schweiz Markt feststellen konnte.

Die gute Nachricht: Die Mehrheit der Unternehmen verwendet Wachstumsanreize

Zum Glück verwenden im SMI lediglich eine Minderheit von einem Drittel aller Unternehmen nur EPS, ROE, ROCE, RONOA und Economic Profit - also reine Gewinnbeteiligungen. Die Mehrheit verwendet Wachstumsanreize. So zum Beispiel die SIKA, die schon seit Jahren ihr Umsatzwachstum daran misst, ob es höher ist als eine für die SIKA typische Vergleichsgruppe von börsennotierten Wettbewerbern. Man spricht von indexierte Vergütung. Auch das Gewinnwachstum wird bei der SIKA relativ zum Markt gemessen. So wird das Management nicht bestraft, wenn es über dem Markt wächst, denn bei überdurchschnittlicher Leistung ist die Vergütung überdurchschnittlich. Im letzten Jahr hatte SIKA alle ihre Wettbewerber übertroffen.

Bei Vergütungen ohne Marktvergleiche, respektive ohne indexierte Vergütung führen gute Leistungen tendenziell zu höheren Zielen im Folgejahr. Die Führungskräfte werden also für ihre gute Leistung bestraft. Kein Wunder, dass dann das Wachstum darunter leidet.

Absolute Wachstumsziele sind gefährlich

Teilweise werden Wachstumsziele absolut gesetzt, also gegenüber dem Vorjahr. Dabei entsteht das Problem, dass die Wachstumsraten viel unterschiedlicher ausfallen, als man es vernünftigerweise annehmen würde. Wir haben dies an den grössten 80 Unternehmen Deutschlands über 10 Jahre nachgewiesen. Wir haben für diese relativ grossen Unternehmen feststellen müssen, dass die Umsatzänderungen eine sehr grosse Bandbreite aufweisen. Die Resultate der Studie zeigen, dass die Wachstumsraten nur in einem Drittel der Fälle zwischen 4% und 14% liegen:

Umsatzwachstum-DAX

In zwei Dritteln der Fälle sind die Wachstumsraten kleiner als 4% oder mehr als 14%. In beiden Fällen sind dies Werte, die in Bonussystemen meist nicht abgebildet werden, weil sie viel zu hoch, respektive zu tief sind, um als vernünftige Ziele zu gelten. Das bedeutet aber, dass der Anreiz des Wachstumsziels ausserhalb dieser Grenzen nicht für, sondern gegen Wachstum ausfällt, denn das Verschieben von Wachstum auf das Folgejahr wird belohnt. Manager, die bei Wachstumsraten unter 4% in Wachstum investieren, werden dafür bestraft, weil sie im Folgejahr weniger Wachstumsmöglichkeiten haben und im laufenden Jahr dafür keine Vergütung erhalten. Das Gleiche gilt bei Wachstumsraten über 14%. Auch dann wartet man mit zusätzlichem Wachstum besser auf das nächste Jahr. Zumindest zahlt das Bonussystem so.

Mit anderen Worten vergüten Wachstums-Boni, die auf absoluten Wachstumszielen beruhen, in zwei von drei Fällen genau das Gegenteil vom Gewünschten.

Gerade bei Long-Term-Incentives sind Marktvergleiche stabiler

Für Vergütungsausschüsse und Verwaltungsräte haben indexierte Vergütungen den Vorteil, dass sie den Aufbau fördern und keinen Anreiz zum Abbau beinhalten. Sie sind aber auch wesentlich stabiler als budgetbasierte Vergütungen, weil die externen Schwankungen neutralisiert werden. Dies ist gerade bei Long-Term-Incentives (LTI) wichtig. Indexierte LTIs schwanken erfahrungsgemäss höchstens um zehn bis zwanzig Prozentpunkte; auch bei drei- oder fünf-jährigen Laufzeiten. Stabilität im LTI bedeutet zufriedene Führungskräfte, die erst noch bessere Anreize erhalten wie oben dargelegt. Nicht zuletzt sind indexierte Vergütungen besser planbar weil unerwartete Marktschwankungen neutralisiert werden. Eine indexierte Vergütung ist daher nie eine unerklärbare Überraschung – weder für die Führungskräfte noch für den Aufsichts- und Verwaltungsrat und auch nicht für die Aktionäre.