19. Juni 2025

Das Rendite-Risiko: Unbeabsichtigte Anreize für falsche Entscheide

Der Artikel wurde aus der Video-Abschrift erstellt und von Dr. Hermann J. Stern bearbeitet. Video auf Englisch.

Die Vergütung von Führungskräften soll an der Leistung ausgerichtet werden soll. Kennzahlen wie "Umsatzrendite" oder "Gewinnspanne" klingen wie eine logische Wahl. Schliesslich deutet eine höhere Marge auf ein profitableres und effizienteres Unternehmen hin, nicht wahr? Wie Dr. Hermann J. Stern jedoch kürzlich in einem Vortrag an der Universität St. Gallen untersuchte, kann diese scheinbar einfache Kennzahl überraschend perverse Anreize bieten, die möglicherweise zu Handlungen führen, die der langfristigen Gesundheit und dem Wachstum eines Unternehmens tatsächlich abträglich sind.

Um diesen Punkt zu veranschaulichen, betrachten wir ein vereinfachtes Unternehmen mit nur zwei Produkten, einem einfachen Apfel und einer leuchtenden Orange. Stellen Sie sich vor, dass Orangen eine gesunde Gewinnspanne von 20 % aufweisen, während Äpfel eher bescheidene 10 % erwirtschaften. Die Frage, die den Studenten gestellt wurde, war direkt: Welche strategischen Massnahmen könnten Sie als Führungskraft, deren Vergütung an die Verbesserung der Gesamtgewinnspanne des Unternehmens gebunden ist, ergreifen?

Die ersten Antworten waren vernünftig: "Die Kosten für die Produktion von Äpfeln senken" oder "Den Absatz von Orangen steigern". Beide Massnahmen würden tatsächlich zu einer höheren Gesamtgewinnspanne beitragen. Ein kluger Schüler entdeckte jedoch eine weitaus heimtückischere, aber effektive Strategie: den Verkauf von Äpfeln einfach ganz einstellen.

Denken Sie an die unmittelbaren Auswirkungen. Durch die Einstellung des Verkaufs des Produkts mit der geringeren Gewinnspanne (Äpfel zu 10%) springt die Gesamtgewinnspanne des Unternehmens sofort auf die Gewinnspanne des verbleibenden Produkts - Orangen zu 20%. Der Auftrag ist erfüllt, zumindest was die Gewinnspanne betrifft.

Aber was sind die weitergehenden Auswirkungen? Der absolute Gewinn sinkt, weil der Gewinn aus den Äpfeln verschwunden ist. In einem Unternehmen mit einem breit gefächerten Produktportfolio, das jeweils unterschiedliche Gewinnspannen aufweist, schafft die Kopplung der Vergütung von Führungskräften an die Gesamtgewinnspanne den problematischen Anreiz, Produkte mit hohen Gewinnspannen zu bevorzugen und Produkte mit niedrigeren Gewinnspannen zu vernachlässigen, auch wenn diese Gewinnbeiträge liefern. Dies kann zu einer gefährlichen Aushöhlung der Produktvielfalt führen und möglicherweise Kundensegmente vor den Kopf stossen, die diese Angebote mit niedrigeren Gewinnspannen schätzen.

Nehmen Sie den Einzelhandelsriesen Aldi. Deren Erfolg beruht nicht auf hochprofitablen Luxusgütern. Das Unternehmen florierte, indem es viele Produkte anbot, viele davon mit geringen Gewinnspannen, aber hohen Verkaufszahlen. Jeder dieser "kleinen Gewinnartikel" trägt zur Gesamtrentabilität des Unternehmens bei. Wenn sich ein Unternehmen ausschliesslich auf Produkte mit hohen Gewinnspannen konzentriert, läuft es Gefahr, wichtige Einnahmequellen und Marktanteile zu verlieren.

Die entscheidende Lektion hier ist, dass Gewinnspanne-gebundenes Gehälter am einfachsten zu erhöhen sind, indem einfach etwas nicht tut - wie z.B. ein Produkt mit geringerer Gewinnspanne nicht mehr verkauft. Dies führt zu grundlegenden Fehlanreizen, bei der Führungskräfte dafür belohnt werden, dass sie möglicherweise das Produktportfolio verkleinern und wertvolle Geschäftssegmente vernachlässigen.

Die Gewinnspanne ist zwar ein scheinbar direktes Effizienz-Mass, kann aber bei der Vergütung von Führungskräften, vor allem in komplexen Unternehmen mit unterschiedlichen Produktlinien, ein äusserst problematisches Kriterium sein. Sie kann für Führungskräfte ein Anreiz sein, kurzfristige Gewinne zu erzielen, indem sie sich von margenschwächeren, aber strategisch wichtigen Produkten trennen, was letztlich den langfristigen Interessen und dem Gesamtwert des Unternehmens zuwiderläuft.

Dieses kurze Video veranschaulicht anschaulich diesen entscheidenden Fehler bei vergütungsrelevanten Gewinnmargen. Erleben Sie den "Aha!"-Moment, wenn die Schüler begreifen, welche kontraintuitiven Anreize diese scheinbar einfache Kennzahl schaffen kann. Das Verständnis dieses potenziellen Fallstricks ist entscheidend für die Gestaltung wirksamer Vergütungssysteme, die wirklich nachhaltiges Wachstum und Wertsteigerung fördern. Klicken Sie auf "Play" im obigen Video, um die Erklärung zu sehen, und überdenken Sie vielleicht das nächste Mal, wenn Sie "Umsatzrendite" als Leistungskennzahl verwenden.