19. Juni 2025
Der Investitionskiller: ROIC / ROCE bestrafen Wachstum
Der Artikel wurde aus der Video-Abschrift erstellt und von Dr. Hermann J. Stern bearbeitet. Video auf Englisch
In einem früheren Video haben wir die unbeabsichtigten Folgen vergütungsrelevanter Gewinnmargen aufgezeigt, und wie diese scheinbar harmlose Kennzahl in Vergütungsplänen dem Unternehmen langfristig schadet: Das Rendite-Risiko: Unbeabsichtigte Anreize für falsche Entscheide. Nun wenden wir uns einer anderen beliebten Familie von Leistungskennzahlen zu: Kapitalrenditekennzahlen wie Return on Investment (ROI), Return on Capital Employed (ROCE), Return on Invested Capital (ROIC) und Return on Net Operating Assets (RONOA). Während diese Kennzahlen darauf abzielen, die Kapitaleffizienz zu messen, können auch sie einen gefährlichen Anreiz enthalten, Investitionen zu unterlassen und zukünftiges Wachstum zu schwächen.
Die grundlegende Berechnung dieser Kennzahlen, ist einfach: Gewinn geteilt durch das dafür erforderliche Kapital. Das heimtückische Problem ergibt sich aus der natürlichen Abschreibung von Vermögenswerten. Wenn ein Unternehmen nichts unternimmt, wenn es also neue Investitionen einstellt, werden diese Kapitalrenditemetriken - kontraintuitiv - steigen. Das liegt daran, dass die Abschreibung den Nenner (die Kapitalbasis) verringert, während der Gewinn ohne neue Investitionen relativ stabil bleibt oder langsamer sinkt. Das Ergebnis? Eine ständig steigende Kapitalrendite, ROCE, ROIC und RONOA, einfach dadurch, dass sie sich nicht verändern.
Was passiert mit den Kapitalrenditen, wenn Führungskräfte in die Zukunft zu investieren, neue Anlagen bauen, neue Produkte auf den Markt zu bringen oder neue Technologien erwerben? Die unmittelbare Auswirkung ist die Erhöhung der Kapitalbasis, des Nenners in der Kapitalrenditegleichung. Selbst wenn diese Investitionen später zu erheblichen Gewinnen führen, ist die erste Auswirkung eine tiefere Kapitalrendite, was die Vergütung senkt. Die implizite Botschaft ist klar: Nicht Investieren, denn Investitionen verringern die Vergütung.
Man könnte meinen, dass keine vernünftige Führungskraft absichtlich solch problematische Leistungskennzahlen für die Vergütung verwenden würde. Die weite Verbreitung dieser Kennzahlen in den Vergütungsplänen für Führungskräfte zeigt jedoch genau das Gegenteil. Nehmen Sie das Beispiel von Henkel, dessen langfristiger Incentive-Plan zu 80 % an die Kapitalrendite gebunden ist. Dies schafft einen starken Anreiz für das Management, so Kapitalausgaben so lange wie möglich verzögern und damit Wachstumschancen zu Gunsten der aktuellen Kennzahlen zu opfern.
Teilweise wird argumentiert, dass der "Economic Profit" dieses Dilemma löst. Der "Economic Profit" hat den Vorteil, dass er die Veränderung des Gewinns im Vergleich zum Vorjahr anzeigt, grundsätzlich also - anders als die Kapitalrenditen - ein Wachstumsindiktor ist. Der Economic Profit (EP) leidet jedoch unter genau demselben grundlegenden Problem: Jede bedeutende Neuinvestition erhöht sofort die Kapitalkosten, was den EP senkt und folglich auch die EP-basierte Vergütung.
Dr. Stern berichtet im Video, wie er zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn auf dieses Problem gestossen ist, als er sich bei Vetropack, einem Flaschen-Hersteller, für eine EP-Vergütung einsetzte, nachdem er dazu ein Buch verfasste. Der CFO wies Stern ab und erklärte ihm das den Produktionsprozess eines Falschen-Herstellers: Das Unternehmen arbeitet mit massiven Betonwannen, die etwa 20 Jahre lang halten. Im Laufe dieser zwei Jahrzehnte erodiert das heisse, flüssige Glas allmählich das Becken, wodurch sich der Investitionswert durch Abschreibungen in der Bilanz langsam verringert. Infolgedessen steigt der Economic Profit über die 20 Jahre hinweg stetig an, um dann in dem Jahr der Neuinvestition in das Betonbecken drastisch zum Anfangswert zurückzufallen. Dieser zyklische Charakter macht den EP zu einer ungeeigneten Messgrösse für die Vergütung von Führungskräften bei Vetropack.
Dieses kurze Video veranschaulicht anschaulich diesen entscheidenden Fehler bei der Verwendung von Kapitalrenditen und Economic Profit bei der Führungskräfte-Vergütung. Es wird deutlich, wie der Verzicht auf Investitionen diese Renditen künstlich in die Höhe treibt. Das Verständnis dieses potenziellen Fallstricks ist entscheidend für die Gestaltung wirksamer Vergütungssysteme, die wirklich nachhaltiges Wachstum und langfristige Wertschöpfung fördern. Spielen Sie das obige Video ab, um die Erklärung zu sehen, und überdenken Sie das nächste Mal, wenn Sie ROI, ROCE, ROIC oder RONOA im Vergütungssystem einbauen möchten.